Von Alkohol bis Zenit
Awatif Hasoon
26.03.2021
Der islamische Kulturraum erlebte zwischen dem 8. und dem 13. Jahrhundert eine wissenschaftliche und wirtschaftliche Blütezeit. Ein wichtiger Grund für diesen Aufschwung war der Toleranz zuzuschreiben, die muslimische Herrscher gegenüber anderen Glaubensrichtungen aufgebracht hatten. Diese zeigte sich insbesondere in ihrer Aufgeschlossenheit gegenüber älteren Kulturen. So eigneten sich die muslimischen Herrscher das reiche Erbe der byzantinischen und sassanidischen Kulturen an, entwickelten das Antike Erbe weiter und leiteten gesellschaftliche Veränderungen ein, die eine florierende Landwirtschaft begründeten. Sie übernahmen alte Systeme, entwickelten sie weiter und erfanden neue. Hier seien zwei Beispiel zu nennen: Die Verbesserung des antiken Wasserrades und die Erfindung einer effektiven Zisternenkonstruktion. Ein System von Grundwasserkanälen (qanate) wurde eingeführt. Neue Nutzpflanzen wir Zuckerrohr, Zitronen und Apfelsinen wurden angebaut.
Die muslimische Welt kontrollierte die großen Handelsrouten und wurde zu einer Drehachse für den Handel zwischen Asien, Afrika und Europa. Die Geschäftsbeziehungen waren größtenteils durch persönliche Kontakte geprägt. Bankkaufleute praktizierten die bargeldlosen Transaktionen. Der Handel bestand schätzungsweise aus ca. 90% Massengütern und aus 10% Luxusgütern, wobei letzterer den Kaufleuten den größten Gewinn einbrachten. Der Handel mit Parfüme, Stoffen, Möbeln oder mit den berühmten Damaszenerschwertern sorgten für Wohlstand. Muslime beherrschten die Finanzmärkte vom westlichen Mittelmeerraum bis nach Indien. Die westlichen Europäer trafen auf die arabisch islamische Kultur in Spanien, Sizilien, auf den Kreuzzügen in Syrien sowie in Palästina und im Rahmen des Mittelmeerhandelns in muslimischen Hafenstädten. Der Adel Westeuropas versuchte durch den Import von Stoffen wie Baldachin, exotischen Gewürzen wie Safran, Duftstoffen wie Amber, gesellschaftlichen Gepflogenheiten wie Schach sein Ansehen zu erhöhen.
„Suche das Wissen, und wäre es in China.“
Hadithe aus Sahih al-Bukahri
Der Islam als Religion förderte das Lernen und begünstigte die Wissenschaft und Technik. Zahlreiche Koranverse und Hadithe belegen, wie Wissen und Erkenntnis um die Schöpfung nach islamischem Verständnis, den Glauben vertieft und die Ehrfurcht vor Allah stärkt. In der Tat integrierten die arabischen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen persisches, indisches, griechisches und chinesisches Gedankengut. Wissen sollte verlangt und gefördert werden, auch wenn man dafür an das damals vermeintliche Ende der Welt „China“ gehe musste.
Die Wissenschaft hatte die größte Priorität unter den abbasidischen Kalifen al-Mansur (Regierungszeit 754-775), ar-Rachid (Regierungszeit 786-809) und al-Ma`mun (Regierungszeit 813-833). Der letztere eröffnete in seinem Palast ein großes Wissenszentrum „Haus der Weisheit“ (bait al-hikma). Dort wurden u.a. Texte der klassischen Philosophie und der empirischen Wissenschaften ins Arabische übersetzt. Der nestorianische Christ Hunain ibn Ishaq (809-873) war Arzt und Übersetzer. Er übersetzte die Werke Galen, Hippokrates sowie Aristoteles, Platon und das Alte Testament ins Assyrische und Arabische. Auch andere berühmte christliche und jüdische Übersetzer verfassten sachkundige Kommentare und Erläuterungen zu den übersetzen Werken.
Zu den bedeutenden islamischen Medizinern gehörte zweifelslos Ibn Sina, bekannt auch unter seinem lateinischen Namen Avicenna (980-1037). Der persischer Universalgelehrter war zugleich Arzt, Physiker, Philosoph und Wissenschaftler. Er gehörte neben den Persern ar-Razi und Biruni- , dem Griechen Hippokrates und dem Römer Galen zu den führenden Medizinern der Antike und ihre Werke bildeten die wichtigsten Säulen der abendländlichen Medizin.
Von den chinesischen Gefangen in Samarkand lernten die Araber die Papierherstellung und somit wurde im Jahre 794 die erste Papiermühle in Bagdad erbaut. Über al-Andalus und Sizilien fand das Papier seinen Weg bis nach Westeuropa.
Nachhaltigkeit aus Medizin und Technik
Arabisch-Islamische Wissenschaftler haben in mehreren Bereichen aus Wissenschaft und Technik nachhaltig mitgewirkt. Es lassen sich etliche Beispiele aus der Mathematik nennen. Bereits im 8. Jahrhundert wurde im islamischen Raum das Dezimalsystem im Rechnen eingeführt. Die Araber benutzten die indischen Ziffern sowie „das Nichts“ die (Null) aus der religiös-philosophisch geprägten Mathematik der Hindus, welche sie in ein-, für die Wissenschaft und den Handel nutzbares System, übertrugen. Europa übernahm dieses System im 13. Jahrhundert, wobei die Null unter ihrem arabischen Namen (sifr) die Länder Europas erreichte und seitdem aus dem Zahlensystem nicht wegzudenken ist. Sie steht Pate für das deutsche Wort Ziffer. Von da an waren die Null bis Zehn als arabische Zahlen bekannt.
Weitere Bereiche der Mathematik wie Algebra (die Lehre des Rechnens mit Unbekannten in Gleichungen) oder Algorithmus fanden ihren Weg nach Europa. Beide Begriffe lassen sich auf den berühmten Astronomen und Mathematiker al- Khawarizmi (um 780- 850) zurückführen.
Algorithmus (ein komplexes Verfahren in der Mathematik, das heutzutage in der Datenverarbeitung beim Programmieren verwendet wird) hat seinen Ursprung im Namen des Wissenschaftlers al- Khawarizmi.
Ins Deutsche gelangten die arabischen Wörter vor allem über das Italienische und Französische neben dem Mittelaltlateinischen.
Folgende Wörter aus den Bereichen der Chemie, Astronomie, Handel und Reisen, Gewürze und Genussmittel und andere sind arabischer Herkunft:
Deutsch Arabisch Übersetzung der arabischen Bedeutung
Alkohol al-kuhl Augenpulver, Antimonpulver
Alchemie al-kimiya Chemie
Alkali al-qali Pottasche
Almanach al-minha wörtl. Das Geschenkte, Kalender, Neujahrgeschenk
Altair at-tayr fliegende
Amulett hammala Tragband
Arsenal aar as-sina‘a Werkstatt, Haus, in dem Waffen hergestellt werden
Artischocke al-khurschuf, bzw. ardi-schuki Artischocke, irdisch-stachelig
Atlas atlas Seidenstoff
Bohnenkaffee aun qahwa Kaffee, aus der Beere des Kaffeestocks(arabisch: Bunn)
Chiffon achiffa durchsichtiger Stoff
Elixier al-iksir Quintessenz, Stein der Weisen
Giraffe zurafa Giraffe
Haschisch haschisch Gras
Kabel habl Seil
Kaffee qahwa Kaffee
Kamel aschamal Kamel
Karat qirat kleines Gewicht
Kismet qisma Schicksal
Koffer quffa Flechtkorb
makaber maqabir Friedhöfe
Matratze matrah Platz ,Kissen, Teppich
matt mat Er starb
Mokka mucha eine Stadt im Jemen
Rabatt rabt festsetzen, veranschlagen
Razzia ghazwa überfallartiger Kriegs- bzw. Beutezug
Reibach ribh Gewinn
Risiko rizq Versorgung
Scheck saqq Scheck (höchstwahrscheinlich aus dem Arabischen)
Sirup scharab Trank
Sofa suffa Ruhebank
Tarif ta‘rifa Bekanntmachung
Zenit Samt ar-r‘as Weg, Richtung des Kopfes
Zucker sukkar Zucker höchstwahrscheinlich aus dem Sanskrit,
über das arabische nach Europa
Aus Religion, Justiz und Philosophie
Islam islam Hingabe an Gott
Kadi qadi Richter
Kalif chalifa Nachfolger des Gesandten Gottes
Moschee masjid Ort zum Verneigen
Muezzin mu‘athin Gebetsrufer
Sufi sufi, safa Träger von Schurwolle
Reinheit
Quellen:
1. Kratochwil, Gabi: Business-Knigge: Arabische Welt. Erfolgreich kommunizieren mit arabischen Geschäftspartnern. Orell Füssli Verlag AG, Zürich, 3.Auflage 2008, S.40-49.
2. Jäger, Wolfgang /Müller-Laschewski, Katrin/Vogel, Ursula/Webe, Christa: Kurshefte Geschichte. Die Islamische Welt und Europa. Cornelsen Verlag, Berlin,2002, S.58ff.
3. Unger, Andreas: Von Algebra bis Zucker. Arabische Wörter im Deutschen. Reclam Verlag, überarb. und aktual. Edition (18. Juni 2013), Vorwort.